Honorare in der Bildungsarbeit und reale Stundenlöhne
Viele Bildungsarbeiter_innen leben von verschiedenen Arten von Honorartätigkeiten. Mal heißt es Honorar, mal Lehrauftrag, mal Aufwandsentschädigung. Die Höhe der Vergütung – meist Stundenlöhne für die reine Zeit des Unterrichts oder Vortrags – sagt für sich genommen wenig aus. Denn es bleibt unklar, was eigentlich an tatsächlichem Aufwand dahintersteckt, um diese Leistungen zu erbringen – und wie hoch (oder niedrig) entsprechend die realen Stundenlöhne der Dozent_innen, Referent_innen usw. sind. Um dies zu veranschaulichen, haben wir Beispiele aus der Praxis zusammengetragen. In der hier downloadbaren Tabelle gibt es eine Aufschlüsselung verschiedener Honorartätigkeiten mit Arbeitszeit, Vorbereitungszeiten, Vergütung und schließlich dem sich daraus ergebenden realen Brutto-Stundenlohn. Und der ist oft erschreckend niedrig – in vielen Fällen weit unterhalb des Mindestlohns. In der Tabelle werden verschiedene Tätigkeitsbereiche und -arten unterschieden; die einzelnen Beispiele stammen von Universitäten, freien Bildungsträgern, Museen, Volkshochschulen u.a. Die Mehrheit der Einträge stammt aus den vergangenen drei Jahren.
Download der Honorartabelle (konkrete und echte Fallbeispiele von Honorarverträgen, Mittelwertvergleiche über verschiedenen Sektoren, Mindestlohnabgleich)
Download Report (Erläuterungstexte, Tabellen und Diagramme kombiniert)
Reaktionen in der FAZ, der taz, der jungle world, bei Radio Corax/FRN, Heise.de, im Freitag
Beispiel: vereinbarter und effektiver Stundenlohn in verschiedenen Sektoren im Vergleich und Vergleich mit Mindeslohn
Erläuterungen
Lehraufträge
Die Lehre ist an vielen Hochschulen sehr stark auf Lehraufträge angewiesen. Teilweise werden diese sogar unentgeltlich oder zu einem rein symbolischen Entgelt geleistet. Dies betrifft bspw. Promovierende, die gern Lehrerfahrung sammeln wollen oder Privatdozent_innen. Doch auch wenn die Lehraufträge bezahlt werden, bleibt die Bezahlung mit Stundenlöhnen zwischen 25 und 45 Euro – je nach Qualifikation und Universität – sehr gering, denn es werden nur die Unterrichtsstunden bezahlt. Seminarplanung, Vorbereitung der einzelnen Sitzungen, Sprechstunden sowie Korrekturen der Hausarbeiten werden damit überhaupt nicht vergütet. Kritik daran, zum Beispiel ein Hinweis auf den Mindestlohn, wird oft mit dem Argument abgeschmettert, dass es sich nicht um eine Entlohnung sondern eine Aufwandsentschädigung handele. Weltweit einmalig ist die sogenannte Titellehre durch Privatdozent*innen, die jährlich oder alle zwei Jahre ein Seminar abhalten müssen, um ihre Lehrerlaubnis nicht zu verlieren. Diese Seminare werden nur manchmal mit einer Unterrichtspauschale von 150 Euro abgegolten, eine „Bezahlung“, die seit 1974 unverändert geblieben ist.
Freie Bildungsarbeit/Workshops
In diesem Kontext werden im Vergleich zu den anderen Bereichen die niedrigsten Stundenlöhne gezahlt. Die Vorbereitung von Workshops und Seminaren bringt real zwischen fünf und acht Euro ein, also Entlohnungen, die teilweise deutlich unter dem Mindestlohn liegen. Es ist aufschlussreich, sich in diesem Zusammenhang auch mit den Auftraggeber_innen zu beschäftigen. Teilweise lassen sich hier die geringen Löhne durch die strukturellen Bedingungen der ebenso prekären NGO-Arbeit erklären. Vor allen Dingen kleine NGOs haben oft wenig Geld und können daher auch nur wenig zahlen. Doch ein großer Teil der von uns erfassten Auftraggeber_innen sind ausgerechnet Gewerkschaften oder gewerkschaftsnahe Bildungseinrichtungen, die nicht nur in größerem Ausmaß über Eigenmittel verfügen, sondern die auch politisch daran interessiert sein sollten, die Bildungsarbeiter_innen, die selbstständig für sie tätig sind, angemessen zu bezahlen. Doch Gewerkschaften finanzieren Bildungsarbeit genau wie andere Träger oft über öffentliche Gelder, die in ihren Richtlinien zumeist äußerst geringe Honorare ansetzen.
Vorträge
Auch Vortragshonorare in Wissenschaft, politischer Bildung, Jugendbildung und Erwachsenenbildung gehen weit auseinander, aber definitiv können die meisten von 50.000 Euro pro Abend, wie sie Peer Steinbrück erhält, nur träumen. Meist geht es um Beträge zwischen 100 und 300 € und um Stundenlöhne im niedrigen Bereich. Bei den in unsere Übersicht aufgenommenen Werten ist beispielsweise nur die direkte Vorbereitungszeit berücksichtigt, nicht aber, dass viele Vorträge Resultate jahrelanger Forschungsarbeit und dazugehöriger Publikationstätigkeit sind. Deshalb macht es aber auch einen großen Unterschied, ob man als fest Angestellte_r an einer Uni ein Vortragshonorar als Zubrot bekommt (was manches niedrige Honorar gut verschmerzbar macht) oder ob man davon seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Für die Entlohnung spielt dies aber i.d.R. keine Rolle.
Prekäre Selbständigkeit
Zu den geschilderten finanziellen Bedingungen kommt hinzu, dass alle, die als Selbständige Bildungs- und Vortragsarbeit machen, sich allein um ihre soziale Absicherung kümmern müssen, wenn sie nicht zusätzlich einen sozialversicherungspflichtigen Job haben. Das heißt, Krankenkasse, Versicherung gegen Erwerbslosigkeit, Berufshaftpflicht, Krankentagegeld etc. müssen selbst finanziert werden. Für hauptberuflich Lehrende kommt noch hinzu, dass sie Beiträge zur Rentenversicherung abführen müssen. Diese allein belaufen sich auf ca. 19% der Einnahmen. Von wenig Geld bleibt oft entsprechend wenig übrig.
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